Fotograf und Grünen-Politiker Marquardt kritisiert in Aachen Abschiebepraxis nach Afghanistan

Die Abschiebepraxis von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan wird derzeit heiß diskutiert. Nach Ansicht Bundesinnenminister de Maizière sind der Norden Afghanistans und in Kabul so sicher, dass dorthin „verantwortungsvoll“ abgeschoben werden könne. Wie die tatsächliche Situation vor Ort ist, darüber informierte der Fotograf Erik Marquardt bei seinem Vortrag in der katholischen Hochschulgemeinde. Eingeladen hatte der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen. Gut 50 Gäste waren gekommen, darunter auch viele Afghanen sowie ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierte Menschen.

Landtagskandidat für den Südkreis Lukas Benner begrüßte die Gäste und stellte die zentrale Frage: „Können wir es verantworten, Menschen dahin abzuschieben?“ Die grüne Antwort darauf ist ein eindeutiges „Nein“.

Erik Marquardt war in den letzten beiden Jahren über 20-mal auf der von Flüchtlingen genutzten Balkanroute und in Afghanistan unterwegs. Die Bilder sind erschütternd. Wie die Sicherheitslage wirklich ist, verdeutlichte der Fotograf an den vielen Hubschraubern, die bei der Landung einer ausländischen Maschine am internationalen Flughafen in Kabul auf die Passagiere warten, um sie an ihren eigentlichen Aufenthaltsort zu bringen. Eine Fahrt auf dem Landweg wäre schlicht zu gefährlich. „Wenn man überleben will, fliegt man besser“. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der getöteten Zivilisten um über 74 % gestiegen, zitierte Marquardt offizielle Zahlen der UN über Kabul.

Viele Gebiete im Land werden von den Hilfsorganisationen nicht mehr erreicht, da eine sichere Fahrt dorthin nicht möglich sei. Es herrsche nur noch eine scheinbare Sicherheit. „Über 10% der Afghanen innerhalb der letzten 40 Jahre durch den Krieg verletzt", so Marquardt. Nur ein Bruchteil der Geflüchteten komme überhaupt nach Europa. Viele Afghanen seien in den Iran oder nach Pakistan geflohen, doch auch innerhalb des Landes gäbe es viele Flüchtlinge. Viele zieht es in die scheinbar sichere Hauptstadt Kabul, was die Lebensbedingungen der Menschen drastisch verschlechtere, „da Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit stark zunehmen“. Es gebe einen hohen Drogenkonsum und viel Korruption. Der Durchschnittslohn eines Arbeiters liege gerade mal bei 500 Euro im Jahr. Viele Menschen verdienten als Tagelöhner ungefähr 1 Euro am Tag. Es gebe schon deshalb immer mehr kriminelle Banden. Minderheiten wie der Stamm der Hazara würden gnadenlos verfolgt und getötet, entgegen den Beteuerungen des Bundesinnenministeriums.

Vor all diesen Hintergründen sei es unmöglich, Afghanistan als sicheres Land zu bezeichnen, resümierte Marquardt, der selbst während seiner Aufenthalte mehrfach bedroht und in Angst versetzt wurde. In der anschließenden Diskussion hießen viele der Anwesenden die Abschiebepraxis nicht gut und dass die Sicherheitslage dort neu beurteilt werden müsse. Einige mutmaßten, dass man aus rein populistischen Gründen nach Afghanistan abschiebe, um Kritik und Druck aus rechtskonservativen Kreisen zu begegnen. In einem war sich die Runde einig: Eine humane Flüchtlingspolitik ist das, was wir vor allem jetzt leisten müssen. Afghanen die in Deutschland ausgebildet werden, könnten die besten Entwicklungshelfer der Zukunft sein.

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