„Gemeinschaftsinitiative zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Automatismen in der Pflege“ (02.05.2012)

Hiermit beantragen die Fraktionen von CDU und Grünen, folgenden Punkt auf die Tagesordnungen des kommenden Seniorenbeirates und des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Senioren und demographischen Wandel zu setzen: „Gemeinschaftsinitiative zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Automatismen in der Pflege“.

Hiermit beantragen die Fraktionen von CDU und Grünen, folgenden Punkt auf die Tagesordnungen des kommenden Seniorenbeirates und des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Senioren und demographischen Wandel zu setzen:

„Gemeinschaftsinitiative zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Automatismen in der Pflege“

Ferner beantragen die CDU-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aufbauend auf die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Fixierungs-Projekt aus den Jahren 2007 und 2008 folgende Beschlussfassung:

1. „Die Verwaltung möge eine Gemeinschaftsinitiative mit dem Ziel starten, in gemeinsamer Verantwortung auf die Vermeidung von freiheitsentziehenden Automatismen in der Pflege hinzuwirken.

2. Hierzu sind Vertreter/innen von ausgewählten stationären Pflegeeinrichtungen, der Betreuungsbehörde, der Heimaufsichtsbehörde und den zuständigen Amtsgerichten (incl. ausgewählten Verfahrenspflegern) zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zusammenzubringen.

3. Ziel dieser Initiative soll es sein, die gemeinsame Verantwortung der Akteure bei der Entscheidung über die Anwendung oder den Verzicht der Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen zu stärken, um Fixierungsroutinen zu überwinden.

4. Die Initiative sollte gemeinsame Empfehlungen zur Vermeidung und zur sachgerechten Abwägung im Sinne einer kollektiv bindenden Entscheidung erarbeiten.

5. Die verantwortlichen Akteure aus dem Projekt ‚Fixierungsfallgeschichten’ sollten hierbei mit eingebunden werden. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Projekt sollten mit einfließen.“

Begründung:

Die Ergebnisse der Begehungen der Heimaufsicht der StädteRegion Aachen und die Ergebnisse aus dem Projekt Fixierungsfallgeschichten des früheren Kreises Aachen und des DIP Köln zeigen (wie auch u.a. die umfangreiche „Hamburger Studie“ aus 2005), dass es ausgeprägte Unterschiede zwischen den Heimen in der Häufigkeit der Anwendung von FEM gibt. So gibt es offenkundig Heime, die über Jahre kaum FEM anwenden und andere, die diese in bedenklichem Maße in einer gewissen Routine regelmäßig vornehmen. Mit verantwortlich hierfür ist offenkundig die mangelnde Kooperation zwischen Amtsgerichten, Betreuern und Pflegeeinrichtungen.

Mit dem „Werdenfelser Weg“ – einer Gemeinschaftsinitiative im Landkreis Garmisch-Partenkirchen – haben das zuständige Amtsgericht und zahlreiche stationäre Pflegeeinrichtungen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bereits 2008 eine erfolgreiche Initiative gestartet mit dem Ziel, zu einer gemeinsam verantwortlich getragenen Entscheidungsfindung über die (im Einzelfall begründete) Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) bzw. deren (ebenfalls begründeten) Verzicht zu gelangen.

Mit dieser Initiative ist es gelungen, dass Pflegekräfte sich mit ihrer Verantwortung für die Entscheidung über eine FEM nicht mehr allein gelassen fühlen.

Die Entscheidung über die Anwendung bzw. den Verzicht auf die Anwendung von FEM ist vom Gesetzgeber (im Betreuungsrecht und im Verfahrensrecht) als eine kollektiv verantwortliche Entscheidung angedacht (vgl. insb. § 70a – 70d FGG).

De facto – das zeigen die Ergebnisse aus dem Projekt Fixierungsfallgeschichten, aber ebenso die Ergebnisse aus anderen Studien – tragen die Pflegekräfte die Hauptverantwortung und damit auch die entsprechenden (haftungsrechtlichen) Folgen selbst, wenn es bspw. beim Verzicht auf die Anwendung von FEM zu einem Sturz eines demenziell veränderten Bewohners kommt.

Aus der Erkenntnis heraus, dass das staatliche Genehmigungsverfahren de facto „an mehreren Stellen krankt“ (Zitat Amtsrichter Dr. S. Kirsch, Werdenfelser Weg), haben der Landkreis Garmisch-Partenkirchen und das zuständige Amtsgericht eine Initiative gestartet, mit dem Ziel einer kooperativen Zusammenarbeit im Sinne einer kollektiv vorgenommenen Abwägung zur Frage der FEM. Hierzu wurde insb. das rechtliche Instrument der Verfahrenspfleger/innen genutzt, die gemeinsam mit den Pflegeverantwortlichen Alternativüberlegungen durchgehen und eine juristisch wie pflegefachlich tragfähige Entscheidung herbeiführen.

Da jede Entscheidungssituation anders aussieht, haben die Initiatoren von Anfang an davon Abstand genommen, den „Erfolg“ ihrer Initiative statistisch erfassbar darzustellen. So können (wie dies leider in einzelnen Studien geschehen ist) Fixierung zwar drastisch reduziert werden (z.B. von 10 Std. auf eine Std. pro Tag), aber dennoch bleiben sie als genehmigte Fixierungen fortbestehen.

Am Ende dieses – als Projekt – angelegten Prozesses wurden beim Projekt „Werdenfelser Weg“ einzelne Einrichtungen für die von ihnen professionell gestalteten Abwägungsprozesse ausgezeichnet. Eine solche Auszeichnung könnte – übertragen auf die StädteRegion Aachen – insbesondere für diejenigen Heime förderlich sein, die sich am Demenz-Label-Verfahren beteiligen.

Ausgehend vom Amtsgericht Geilenkirchen startet eine vergleichbare Initiative derzeit auch im Kreis Heinsberg.

Antrag als PDF

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