KMV Bericht: Flüchtlingsarbeit und "Aufbruch 2017"

Am Donnerstag, 28.05.2015 tagte die Mitgliederversammlung des GRÜNEN Kreisverbandes Aachen in der Nadelfabrik. Zentrale Themen waren die Flüchtlingsarbeit und der Aufbruch 2017. Karl Weber vom Eilendorfer Bündnis für Integration stellte die Flüchtlingssituation weltweit vor. Daran anschließend erläuterte Hilde Scheidt, GRÜNE Bürgermeisterin die Flüchtlingssituation in Aachen. Zudem wurde eine inhaltliche Planung der Arbeit des Kreisverbandes für die nächsten Jahre vorgestellt und beraten.

Deutschland im Mittelfeld der Flüchtlingsaufnahme

Ob Syrien, Afghanistan, Nigeria oder Sudan, es gibt viele Krisenherde auf der Welt. Das Leben in Unsicherheit zwingt die Menschen dazu ihre Heimat zu verlassen. An trauriger Spitze liegen Afghanistan und Syrien, aus denen nach Angaben der UNHCR in 2014 rund 2,5 Mio. Menschen flüchteten. "Auch IMG_2711[1]Deutschland leistet mit seinen Waffenexporten einen Beitrag zu den weltweiten Flüchtlingsströmen", kritisierte Karl Weber. Diesen Umstand müsse man sich vor Augen halten, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht.

In 2013 lagen acht der zehn Länder mit der größten Flüchtlingspopulation in Entwicklungs- und    Schwellenländern. Überwiegend fliehen die Menschen nach Pakistan (1,6 Mio. Flüchtlinge in 2014), gefolgt von rund 850.000 Flüchtlinge jeweils im Iran und Libanon. "Die meisten Flüchtlinge leben also nicht in den reichsten Ländern, sondern in den ärmsten Ländern der Erde", bemerkte Karl Weber. "Von den reichen Ländern stellt Deutschland eines der Hauptzielländer von Asylsuchenden dar, neben den USA, Südafrika, Frankreich und Schweden. In absoluten Zahlen nimmt Deutschland in Europa die meisten Flüchtlinge auf (2014: rund 170.000), bezogen auf die Einwohnerzahl jedoch nicht. In Europa liegen andere Länder im Jahr 2014 deutlich vorne - zum Beispiel Schweden mit etwa 7,8 Asyl-Erstanträgen pro 1000 Einwohnern oder das kleine Malta, wo drei neue Asylbewerber auf 1000 Einwohner kommen. Bei uns kommen rund 2,1 Asylbewerber auf 1000 Einwohner."

Flüchtlingssituation in Aachen

IMG_2723[1]Flucht ist ein junges Phänomen. 50% der Fliehenden sind unter 18 Jahre. In Aachen sind etwa die Hälfte der derzeit ca. 1000 Flüchtlingen (Asylsuchende u. Geduldete) unbegleitete minderjährigen Flüchtlinge. In der gesamten Region sind es 750. Damit haben sich die Flüchtlingszahlen in Aachen seit 2012 verdoppelt. Die Menschen die nach Aachen kommen stammen überwiegend aus Afghanistan, Bangladesh, Pakistan, Syrien, Nord- und Zentralafrika. "Die Flüchtlinge haben teilweise schwere Traumatisierungen bzw. sind körperlich wie emotional vernachlässigt", erläuterte Hilde Scheidt. "Die Situation erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Akteure (Bundespolizei, Jugendamt, soziale Betreuungseinrichtungen, Schulen). Es gibt einen Arbeitskreis indem sich die Bundespolizei mit den NGO's abstimmt. Das ist revolutionär, denn lange Zeit haben sich die NGO's geweigert mit der Polizei zusammen zu arbeiten."

In Aachen wird bereits vieles für die Flüchtlinge getan. Es gibt ein Integrationskonzept, die Bildungsberatung, ein Flüchtlingsgipfel in 2014 auf dem zur Vernetzung der Akteure Arbeitsgruppen gegründet wurden (Berufliche Integration, Alltagsberatung, Bildung und Sprache, Beschaffung von Wohnraum, Koordination im Netzwerk, Übergang Jugendhilfe/AsylBLG und Schule). Das Unterbringungskonzept der Stadt sieht eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen vor. Die Flüchtlinge werden durch Sozialarbeiter, NGO`s und Ehrenamtler betreut. 60.000 Euro zusätzlich wird für die Schulung von ehrenamtlichen Paten ausgegeben. Man versuche ein umfassendes, bedarfsgerechtes, differenziertes schulisches Angebot durch verschiedene Bildungseinrichtungen anzubieten, so Hilde Scheidt.

Dringender Handlungsbedarf: Bleiberecht

Zentraler Kritikpunkt beider Referenten betraf die derzeitige Form der Kettenduldung von Flüchtlingen. Damit regele man nur Unsicherheiten für vielen Menschen, die hier her gekommen sind, kritisierte Hilde Scheidt. "Solange ich nicht weiß, ob ich bleiben darf ist alles andere schwierig. Ganz schlimm ist es für die jungen Menschen, wenn sie immer nur für die nächsten sechs Monate eine Duldung erhalten. Das erschwert die Integration. Insbesondere wenn es darum geht, junge Menschen von der Schule in den Beruf zu vermitteln. Deshalb brauchen wir ein Bleiberecht für Menschen mit ungeklärtem Asylstatus für die Dauer der Ausbildung plus zwei Jahre, um Arbeitserfahrung zu sammeln und um den Betrieben Sicherheit zu gewährleisten", forderte die GRÜNE Bürgermeisterin. Dazu habe es bereits einen Antrag der GRÜNEN in Stadt und StädteRegion gegeben, um ein regionales Modellprojekt zur Integration auf den Arbeitsmarkt zwischen Stadt, Städteregion, IHK, Handwerkskammer, Arbeitsagentur, Berufskollegs und Hochschulen zu initiieren.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus sei die Finanzierung von Sprachkursen. Diese werden nämlich erst finanziert, wenn der Asylstatus geklärt ist, und das könne dauern. Deshalb solle der Bund die Integrationskurse auch für Menschen mit prekärem Status öffnen. Um dem Problem zu entgegnen, habe die Stadt Aachen zusätzlich 120.000 Euro für Sprachkurse für Asylbewerber eingestellt.

Positiv hervorzuheben sei das Projekt "Resettlement", welches ca. 50 Personen mit sofortigem Aufenthaltsstatus aufnimmt. "Die Flüchtlinge werden zwei Jahre begleitet, in Arbeit vermittelt und bekommen die Sicherheit sich hier integrieren zu können, ohne die Angst wieder abgeschoben zu werden. Das ist die Zukunft der Flüchtlingspolitik," so Hilde Scheidt.

Ressourcen und Potentiale nutzen - (junge) Menschen fördern

Auf die Frage "Was können wir kommunenübergreifend im Bereich schulischer Lernorte für junge Flüchtlinge tun?" gab Hilde Scheidt mehrere Antworten. Wichtig sei die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe, um ein flexibles bedarfsdeckendes schulisches Angebot vorhalten zu können und um möglichst zeitnah einen Schulplatz in einer internationalen Förderklasse an allen Schulformen anbieten zu können. Denn es gebe immernoch 60 - 70 junge Menschen im Raum Aachen die keinen Schulplatz haben.

Das Land NRW solle die Berufsschulpflicht auf 21 Jahre ausweiten, wie das bereits in Bayern getan wurde. Perspektivisch sollen alle Bildungswege und -abschlüsse für Zuwanderer geöffnet werden. Um eine bestmögliche Förderung nach individuellen Potenzialen zu ermöglichen sollen sprachunabhängige und kultursensible Potentialanalysen veranlasst und die Berufsorientierung intensiviert werden. Die Ausländerbehörde solle ihren Ermessensspielraum weiter ausschöpfen, z.B. durch einen Aufenthaltstitel, wenn die Möglichkeit bestehe eine Arbeit aufzunehmen.

Willkommenskultur als selbstverständliche Aufgabe einer reichen Gesellschaft

In ihrem Resüme bekräftigte Hilde Scheidt, dass man ein klares Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen brauche. "Wir wollen zusammen stehen und die Integration als Chance und Gewinn aufgreifen, um insbesondere jungen Flüchtlingen eine Chance zu geben. Die jungen Menschen haben soviele Kompetenzen und kommen mit soviel Elan hier her, dass wir dumm wären, wenn wir diese Ressourcen nicht nutzen. Positive Integrationsbeispiele müssen durch Filmprojekte, Presse und Begegnungen sichtbar gemacht werden, um deren Mehrwert für die Gesellschaft aufzeigen. Für eine reiche Gesellschaft wie Deutschland ist die Etablierung einer Willkommenskultur eine selbstverständliche Aufgabe!"

Städteregionale Arbeitsgruppe gegründet

In den städteregionalen Kommunen gibt es teilweise sehr unterschiedliche Voraussetzungen für die Flüchtlingsarbeit. Um sich über die unterschiedlichen Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingen auszutauschen, wurde eine städteregionale Arbeitsgruppe mit Vertretern der Ortsverbände ins Leben gerufen.  Ziel dieser AG ist es Anregungen für die Arbeit mit Flüchtlingen einzuholen und von Best-Practice-Beispielen zu lernen. Gemeinsam soll geschaut werden, wie die VertreterInnen ihre Arbeit vor Ort verbessern können.

Aufbruch 2017: Personal stärken - Zusammenarbeit intensivieren

Als zweites Thema beschäftigte sich die Mitgliederversammlung mit dem Aufbruch 2017. Gisela Nacken, IMG_2737[1]Sprecherin des Kreisverbandes gab einen Ausblick auf zwei zentrale Aufgabenbereiche, die in den nächsten Monaten die Arbeit des Kreisvorstandes bestimmen werden: Zum einen ginge es darum die Personalressourcen zu stärken, in Form von Personalgewinnung- und ­entwicklung, Mitglieder(ein)bindung und Nachwuchsförderung. Zum anderen ginge es darum die Zusammenarbeit zwischen Landes-, Kreisverband und Ortsverbänden effektiv auszubauen.

"Neben den überwiegend eher serviceorientierten Angeboten bei Wahlkämpfen und der Verwaltung, wird der Kreisverband verstärkt auch politische Impulse setzen und aufgreifen sowie mehr ortsübergreifende Veranstaltungs- und Aktionsangebote machen," so Gisela Nacken. "Thematische Kampagnen und überregionale Gesprächsforen mit Landes- und Bundespolitikern wie z.B. zum Thema "Nahmobilität" am 11.6.2015 mit Arnd Klocke MdL oder die Filmvorführung "Chasing Ice" am 21.6.2015 im Apollo Kino mit Oliver Krischer MdB und Johannes Remmel, Umweltminister NRW.

Präsentation-Flucht - Karl Weber

Präsentation Flüchtlinge, Vortrag KMVGrüne 28.05.2015 -Hilde Scheidt

 

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